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Von Thomas Erven

Dashcams zulässig und verwertbar? - Tipps vom Anwalt

Dashcams verwertbar?
Dashcams zulässig und verwertbar?

Dashcams erfreuen sich großer Beliebtheit bei Autofahrern. Die Videokamera für Armaturenbrett oder Windschutzscheibe dient zur Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens. Kommt es zu einem Verkehrsunfall, erhoffen sich die Nutzer, das Fehlverhalten des Gegners mittels der Videoaufzeichnung der Dashcam vor Gericht beweisen zu können. Zum Teil wird auch versucht mit Dashcams Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten anderer Verkehrsteilnehmer (Nötigung, Gefährdung des Straßenverkehrs, Rotlichtverstoß, etc.) nachzuweisen oder sich selbst zu entlasten. Doch nützen die Dashcams als Beweismittel tatsächlich vor Gericht? Die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Prozess ist umstritten.

Sind Videos mittels Dashcams im Prozess verwertbar?

Es liegt im Ermessen des Richters, im Einzelfall ein Dashcam-Video als prozessual verwertbares Beweismittel einzustufen. Der Richter wägt unter Berücksichtigung des jeweils vorliegenden Sachverhalts ab, ob das Dashcam-Video verwertbar ist. Diese Abwägung wird zwischen dem Persönlichkeitsrecht der gefilmten Personen ("Recht auf formelle Selbstbestimmung") und dem Interesse des Dashcam-Nutzers an der Aufklärung des Sachverhalts vorgenommen. Hierbei kommt es auch darauf an, ob das Dashcamvideo Beweismittel in einem Zivilverfahren (zum Beispiel zum Beweis des Unfallhergangs) oder Bußgeld- / Strafverfahrens (zum Beispiel Rotlichtverstoß oder Nötigung, Fahrerflucht etc.) ist.

Die Gerichte nehmen diese Interessenabwägung mit unterschiedlichen und teils widersprechenden Begründungen und Ergebnissen vor. Daraus resultiert eine uneinheitliche Rechtsprechung, die eine Verwertbarkeit von Dashcams in einem anstehenden Prozess nur schwer voraussagen lässt.

Wie haben die Gerichte bei Dashcams entschieden?

Zivilrechtliche Entscheidungen nach Unfall etc.:

  • Ausgangspunkt ist eine Entscheidung des Amtsgerichts München (343 C 4445/13)  aus dem Jahr 2013 in der sich das Gericht erstmals mit der Dashcam-Problematik auseinanderzusetzen hatte. Es ging um Folgendes: Ein Fahrradfahrer erlitt bei einem Verkehrsunfall Schäden, für die der beteiligte Pkw-Fahrer an dem der Fahrradfahrer vorbeifuhr, aufkommen sollte. Die mittels Helmkamera aufgenommene Fahrradfahrt sollte die Schuld des Unfallgegners beweisen. In diesem Fall bejahte das Gericht die prozessuale Verwertbarkeit des Videos. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Videoaufzeichnung ohne einen bestimmten Zweck erfolgte und der Pkw-Fahrer zufällig aufgezeichnet worden sei. Dies sei mit gewöhnlichen Urlaubsvideos vergleichbar, die auch Unbeteiligte zeigen. Solche Videos seien nicht verboten und sozial anerkannt. Der Fahrradfahrer verlor allerdings den Prozess, da die Aufzeichnung mit der er versuchte ein Fehlverhalten des Autofahrers zu beweisen,  einen eigenen Verkehrsverstoß zeigte.
  • In einem weiteren Fall hat eine andere Abteilung desselben Gerichts eine Dashcam-Aufnahme im Jahr 2014 nicht als Beweismittel bei einem Verkehrsunfall zugelassen (AG München 345 C 5551/14). Der Dashcamnutzer wollte einen unzulässigen Spurwechsel des Unfallgegners beweisen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen hielt das Amtsgericht München nunmehr Dashcams grundsätzlich für nicht verwertbar. Die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im PKW installierte Autokamera verstoße gegen § 6 b Abs. 1 Nr.3 Bundesdatenschutzgesetz sowie gegen § 22 S. 1 Kunsturhebergesetz und verletze den gefilmten Verkehrsteilnehmer in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 Grundgesetz. Es bestünde bei einer Zulässigkeit die Gefahr einer flächendeckenden, permanenten Kameraüberwachung von sämtlichen Verkehrsteilnehmern.
  • Das Landgericht Heilbronn (I 3 S 19/14) kam in einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 bei der es dem klägerischen Autofahrer darum ging mittels Dashcamaufnahme einem Motorradfahrer mit dem dieser kollidierte einen Geschwindigkeitsverstoß und ein unzulässiges Überholmanöver nachzuweisen, ebenfalls zu dem Schluss, dass gezielte, verdeckte und permanent aufzeichnende Dashcam-Videos kein zulässiges Beweismittel darstellen, da das Persönlichkeitsrecht der gefilmten Verkehrsteilnehmer überwiege. Ein überwiegendes Interesse des Autofahrers an der Beweissicherung mittels Dahcam bestehe nicht. Der Autofahrer verlor den Prozess.
  • Das Amtsgericht Nürnberg (18 C 8938/14) urteilte in einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 gegensätzlich. Der Kläger hatte das Unfallgeschehen mit einer Dashcam aufgezeichnet und konnte hiermit einen unzulässigen Fahrspurwechsel des Gegners, der den Unfall verursachte, beweisen. Die Aufnahme mittels Dashcams diene dem Gericht dazu eine materiell richtige, mit dem wirklichen Sachverhalt übereinstimmende Entscheidung zu ermöglichen. Selbst ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz durch die Dashcamaufnahme führe nicht zu einem Verwertungsverbot im Prozess.
  • Das Landgericht Landshut (12 S 2503/15) kommt in einer aktuellen Entscheidung vom 25.05.2016 in der es um einen Verkehrsunfall am Münchener Flughafen geht, bei der ein Taxifahrer ein Unfallgeschehen mittels Bordkamera beweisen wollte, zu dem Schluss, es bestehe kein Beweisverwertungsverbot. Zum Beweis von Haftungsansprüchen seien Onboardkameras grundsätzlich verwertbar. § 22 Kunsturhebergesetz verbiete nicht das Fotographieren selbst, ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (§ 6 b BDSG) habe womöglich nur festinstallierte Kameras im Auge und nicht jeder Verstoß gegen das Recht auf informelle Selbstbestimmung führe zu einem Beweisverwertungsverbot. Ein gravierender Verstoß liege nicht vor, zumal die Filmaufnahme ständig überschriebe werde und ansonsten der klagende Taxifahrer ohne Verwertung der Dashcamaufnahme beweislos bliebe.

Straf- und bußgeldrechtliche Entscheidungen nach Nötigung, Straßenverkehrsgefährdung oder Rotlichtverstoß etc.:

  • Das Amtsgericht Nienburg (4 Ds 520 Js 39473/14) verurteilte am 20.01.2015 einen Autofahrer wegen Nötigung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten auf Bewährung und Entzug der Fahrerlaubnis für weitere 10 Monate nachdem dieser einen anderen Verkehrsteilnehmer mit dem Fahrzeug bedrängt und massiv ausgebremst hatte. Der genötigte Autofahrer war ein IT-Spezialist, der mittels einer am Innenspiegel angebrachten und kurz vor dem Geschehen aktivierten Kamera die Tat aufgezeichnet hatte. Im Rahmen einer Gesamtschau überwiege bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Angeklagten das allgemeine Interesse an der Effektivität der Strafverfolgung. Die Verwertung der Aufzeichnung sei erforderlich, da aufgrund der Unergiebigkeit der Zeugenaussagen keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen. Die Verwertung sei auch verhältnismäßig. Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten und verwertete die Dashcamaufnahme.
  • Das Oberlandesgericht Stuttgart (4 Ss 543/15) hat in einem aktuellen Beschluss vom 04.05.2016 zu einer Geldbuße mit Fahrverbot nach einem qualifizierten Rotlichtverstoß des betroffenen Autofahrers aufgrund einer Videoaufzeichnung eines Zeugen mittels Dashcam verurteilt. Ein Rotlichtverstoß sei eine Ordnungswidrigkeit von erheblichem Gewicht, was sich schon daraus ergebe, dass regelmäßig ein Fahrverbot auszusprechen sei. Bei einer Abwägung widerstreitender Interessen habe das Recht auf informelle Selbstbestimmung angesichts des gravierenden Verstoßes zurückzutreten, da der Kernbereich informeller Selbstbestimmung nicht betroffen sei. Der Autofahrer wurde aufgrund der Dashcamaufnahme des Zeugen wegen der Rotlichtfahrt verurteilt.

Im Strafprozess zeichnet sich die Tendenz ab, eine Verwertbarkeit von Dashcam-Videos anzunehmen. Entsprechend zum Zivilprozess wird auch im Strafprozess vorausgesetzt, dass es sich um eine kurzzeitige, anlassbezogene Aufnahme handelt. Insbesondere wenn nur das gegnerische Fahrzeug, nicht aber deren Insassen zu erkennen seien, überwiegt regelmäßig das Interesse an der Aufklärung eines erheblichen Straßenverkehrsdeliktes.

Fazit:

  • Dashcams sind gesetzlich nicht verboten. Wer allerdings permanent ohne konkreten Anlass den Verkehr filmt, verletzt das Datenschutzrecht.
  • Die Gerichte beurteilen die Verwertbarkeit von Dashcams in Zivil- und Straf/Bußgeldverfahren uneinheitlich. Es kommt auf den Einzelfall an. Bei schweren Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten besteht die Tendenz kein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Dashcamaufnahme anzunehmen. Bei Nötigungen, Gefährdungen des Straßenverkehrs, Fahrerflucht oder qualifizierten Rotlichtverstößen droht eine Verurteilung, falls diese mittels Dashcamaufnahme nachgewiesen werden kann. Dies kann unter Umständen auch den Nutzer der Dashcam selbst treffen. Bei der Beweisführung mittels Dashcam im Zivilrechtsprozess nach Verkehrsunfall kommt es auf die Wertung des Richters im Einzelfall an, ob das Video als Beweismittel zugelassen wird. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich und widersprüchlich.
  • Der Gesetzgeber muss dringend tätig werden, um eine eindeutige gesetzliche Regelung zu schaffen. Solange bleibt die Rechtslage und der Nutzen von Dashcams unklar.
  • Die Dashcam-Problematik könnte zumindest mit technischer Hilfe entschärft werden, indem beispielsweise Unbeteiligte durch Verpixelung unkenntlich gemacht werden oder nur anlassbezogen aufgezeichnet wird.

Thomas Erven, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Köln

Marta Otreba, Studentin der Rechtswissenschaften an der Universität Köln

Bildquellennachweis: ©  WoGi – Fotolia.com

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Artikel von Thomas Erven
Thomas Erven hat seinen Kanzleisitz in Köln. Er ist bundesweit tätig als Fachanwalt für Verkehrsrecht und spezialisiert auf Themen wie Bußgeld, Verkehrsstrafrecht und Unfälle.
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