Fahrer falsch benennen? – Tipps vom Anwalt
Einen Fahrer falsch benennen? So manchem dürfte dieser „Trick“ bekannt sein: Man fährt zu schnell und prompt landet ein Bußgeldbescheid im Briefkasten.
Ein Bußgeld, Punkte und oft sogar ein Fahrverbot drohen. Ein Pakt unter Freunden soll helfen.
Eine andere Person zeigt sich hilfsbereit und wird gegenüber der Behörde als Fahrer angegeben oder gibt sich direkt selbst als Fahrer an. Die vermeintliche Verwechslung wird später aufgeklärt.
Am Ende sollen beide Beteiligte ungestraft davonkommen – der eine mangels Fahrereigenschaft und der andere wegen Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist.
Dass sich beide Beteiligte durch ein solches Vorgehen strafbar machen können wird oft vergessen. Häufig kommen Mandanten mit Strafbefehlen mit ganz empfindlichen Strafen zu uns, um sich beraten zu lassen.
Inhalt
- Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart
- Welche strafrechtlichen Konsequenzen können durch das "Fahrer falsch benennen" drohen?
- Fazit und anwaltlicher Rat
Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart
Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied am 23.07.2015 über einen Fall des Fahrer falsch benennen in dem die Bußgeldbehörde in die Irre geführt werden sollte:
Ein Pkw-Fahrer beging mit dem Firmenfahrzeug einen Geschwindigkeitsverstoß.
Die Bußgeldbehörde übersandte daher der Firma einen Zeugenbefragungsbogen, um den Fahrer des Pkw ermitteln zu können.
Die Firma gab den Namen des regelmäßigen Fahrers preis. Dieser erhielt dann einen Anhörungsbogen, in dem er sich äußern sollte.
Der Fahrer tat sich daraufhin mit seinem Arbeitskollegen zusammen. Der Arbeitskollege selbst gab sich im ihm übergebenen Zeugenfragebogen und auch im Anhörungsbogen bewusst falsch als Fahrer an.
Die Bußgeldbehörde ging deshalb davon aus, der Arbeitskollege sei gefahren und erließ gegen diesen einen Bußgeldbescheid.
Das Bußgeldverfahren wurde dann vom Arbeitskollegen so lange durch den Einspruch verzögert bis die dreimonatige Verfolgungsverjährung gegenüber dem tatsächlichen Fahrer abgelaufen war und dieser nicht mehr belangt werden konnte.
Nach dieser Verjährungsfrist klärte der Arbeitskollege die angebliche Verwechslung auf und gab an, doch nicht gefahren zu sein. So konnte die Bußgeldbehörde letztlich weder gegenüber dem tatsächlichen Fahrer, noch den Arbeitskollegen ein Bußgeld verhängen.
Welche strafrechtlichen Konsequenzen können durch das "Fahrer falsch benennen" drohen?
Die Ausgangsinstanz hatte den tatsächlichen Fahrer wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 150 €: 9.000 € und den Arbeitskollegen wegen Beihilfe zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 €: 2.000 € verurteilt.
In der Berufung war das Strafmaß gegenüber dem tatsächlichen Fahrer auf 40 Tagessätze zu je 50 €: 2.000 € abgesenkt worden und der Arbeitskollege freigesprochen worden. Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte die Verurteilung des tatsächlichen Fahrers wegen falscher Verdächtigung in sogenannter mittelbarer Täterschaft und den Freispruch des Arbeitskollegen.
Wegen falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) macht sich nach Absatz 2 strafbar, wer über einen anderen wider besseren Wissens eine Behauptung aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren gegen ihn herbeizuführen.
Dies ist der Fall, wenn bewusst eine falsche Person als Fahrer genannt wird und daraufhin ein Bußgeldverfahren gegen diese Person eingeleitet wird. Bestraft wird eine falsche Verdächtigung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe.
Hier liegt nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart ein Fall der mittelbaren Täterschaft vor, weil die unmittelbaren Tathandlungen vom Arbeitskollegen durchgeführt wurden. Nicht der tatsächliche Fahrer hatte seinen Kollegen als Fahrer angegeben, sondern der Kollege selbst wollte sich als Fahrer ausgeben.
Im Rahmen der mittelbaren Täterschaft wurden vom Oberlandesgericht die Tatbeiträge jedoch dem tatsächlichen Fahrer zugerechnet. Bei einer wertenden Zuschreibung habe der tatsächliche Fahrer Tatherrschaft und Wille zur Tatherrschaft; außerdem sei die Tat allein in seinem Interesse begangen worden.
Daher sei eine Verurteilung des tatsächlichen Fahrers als eigentlich den Arbeitskollegen steuernden Hintermann wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft möglich.
Mit Beschluss vom 07.04.2017 hat das Oberlandesgericht Stuttgart in ähnliche Fallkonstellation anders entschieden und keine mittelbare Täterschaft des eigentlichen Fahrers angenommen.
Wer eine andere Person zu einer straflosen Selbstbezichtigung einer Ordnungswidrigkeit bestimme begehe ohne Hinzutreten weiterer die Tatherrschaft begründender Umstände lediglich eine straflose Anstiftung.
Letztlich sei aber unabhängig von der Frage der Tatherrschaft entscheidend, dass der sich selbst gegenüber der Bußgeldbehörde als Fahrer bezichtigende nicht Täter eines Vortäuschen einer Straftat (hier lediglich Selbstbezichtigung einer Ordnungswidrigkeit) nach § 145 d Abs. 2 StGB, oder Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 StGB (Ordnungswidrigkeit keine Tat im Sinne einer Strafvereitelung) und einer falschen Verdächtigung (hier kein „anderer“, sondern sich selbst benannt) sein könne. Diese Strafbarkeitslücke könne letztlich nur der Gesetzgeber schließen.
Eine Strafbarkeit eines Rechtsanwalts bei dessen bewussten Falschangaben zum Fahrer sah das Anwaltsgericht Celle (2 AnwG 2/2018) mit Urteil vom 17.08.2018.
Ein Rechtsanwalt hatte in einem gegen seinen Mandanten geführten Bußgeldverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes mit Fahrerlichtbild einen Arbeitskollegen des Fahrers benannt, der sich bei einer weiteren Befragung im Unternehmen herausgestellt haben sollte.
Tatsächlich war dem Rechtsanwalt bekannt, dass der vermeintliche Fahrer, den er ebenfalls in anderer Sache vertrat, nicht gefahren war. Für die Übernahme der Täterschaft hatte der vermeintliche Fahrer eine Zahlung erhalten. Das Vorgehen scheiterte aber an einem Lichtbildvergleich der Bußgeldbehörde.
Das Anwaltsgericht sah nicht nur die Verwirklichung einer falschen Verdächtigung durch den Rechtsanwalt für gegeben an, sondern auch einen Verstoß gegen dessen Berufspflichten nach § 43 a Abs. 3 BRAO und verhängte gegen den Rechtsanwalt eine Geldbuße von 5.000 €. Die Angaben des Rechtsanwalts seien offensichtlich unwahr gewesen.
Das bewusste Verbreiten von Unwahrheiten stelle eine Berufspflichtverletzung dar. Der Rechtsanwalt sei als Organ der Rechtspflege an das zentrale Verfahrensziel der Wahrheitsfindung geboten, woraus sich das Verbot der Lüge ergebe.
Über eine weitere Fallkonstellation hatte erneut das OLG Stuttgart mit Urteil vom 20.02.2018 zu entscheiden. Der Fahrer hatte hier nicht eine tatsächliche, sondern lediglich eine fiktive tatsächlich nicht existierende Person als Fahrer benannt.
Eine falsche Verdächtigung einer anderen Person sei hier nicht gegeben, da § 164 StGB eine tatsächlich existierende Person voraussetze. "Anderer" sei eine bestimmte oder zumindest bestimmbare existente Person.
Auch § 165 StGB, der unter bestimmten Voraussetzungen dem Verletzten ein Recht auf öffentliche Bekanntgabe der Verurteilung zubillige, spreche dagegen, denn dies setze notwendig einen tatsächlichen Verletzten, mithin eine existente Person voraus.
Der Fahrer wurde freigesprochen.
Fazit und anwaltlicher Rat
So verlockend es scheint, im Anhörungsbogen oder Zeugenbefragungsbogen das gängige Fahrer falsch benennen anzuwenden, raten wir dennoch davon ab. Diese Vorgehensweise birgt erhebliche strafrechtliche Risiken mit drohenden gravierenden Strafen, wie die erörterte Rechtsprechung zeigt.
Wer die Bußgeldbehörde bewusst täuscht, um sich das Bußgeld und die Punkte in Flensburg zu sparen, sollte sich überlegen, ob es diese Risiken wirklich wert sind. Schnell wird aus einem im Vergleich niedrigen Bußgeld eine Straftat mit erheblichen Konsequenzen.
Haben Sie sich durch falschen Rat zu einem solchen Vorgehen hinreißen lassen und wurde ein Strafverfahren gegen Sie eingeleitet, sollten Sie sich unbedingt von uns beraten lassen, damit wir das Vorliegen einer Strafbarkeitslücke prüfen oder zumindest das Strafmaß in Ihrem Sinne absenken können.
Beachten Sie zur Vorgehensweise beim Ausfüllen eines Zeugenfragebogens (Halter erhält Zeugenfragebogen und soll Auskunft geben wer Fahrer ist, da die Behörde noch unsicher ist wer Fahrer ist) unseren Blog: Zeugenfragebogen ausfüllen und beim Ausfüllen eines Anhörungsbogens Betroffener (Adressat ist aus Sicht der Behörde Fahrer) unseren Blog: Anhörung im Bußgeldverfahren.
Wie die Behörde zur Ermittlung des Fahrers vorgeht, erfahren Sie im Blog: Fahrerermittlung.
Sie können uns gerne auch Ihren Fall per E-Mail an erven@kanzlei-erven.de schildern - wir beraten Sie! Oder rufen Sie uns an unter 0221 301 403 44.
Thomas Erven, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Köln
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