Handy am Steuer: Beweispflicht und rechtliche Konsequenzen
Die Nutzung eines Handys am Steuer kann man täglich im Straßenverkehr beobachten. Empfindliche Strafen drohen, falls ein solcher Verstoß von der Polizei vorgeworfen wird. Wer sich wehrt, hat oft „gute Karten“. Denn nicht immer ist es einfach, die tatsächliche Nutzung nachzuweisen. Welche Beweise erforderlich sind, welche Rolle Polizeibeamte als Zeugen spielen und wann sich ein Einspruch lohnt, erklären wir in diesem Artikel.
Inhaltsübersicht
Welche Strafen drohen beim Telefonieren am Steuer?
Wer trägt die Beweispflicht bei Handybenutzung am Steuer?
Welche Beweise müssen bei einem Handyverst0ß vorgelegt werden? Reicht die Aussage von Polizeibeamten aus?
Gibt es Unterschiede bei der Ahndung zwischen Anrufen und anderen Handyanwendungen?
Was passiert, wenn der Fahrer das Handy nicht benutzt hat?
Wie verhält es sich mit der Nutzung von Navi oder Musik während der Fahrt?
Ab wann ist der Einspruch sinnvoll?
Neue Entwicklung: Handyblitzer
Fazit Handynutzung am Steuer
Welche Strafen drohen beim Telefonieren am Steuer?
Das unerlaubte Nutzen eines Handys am Steuer wird nach der Straßenverkehrsordnung (§ 23 Abs. 1 a StVO) geahndet. Die Strafen variieren je nach Verstoß:
Vergehen | Strafe |
Erstverstoß | 100 Euro Bußgeld + 1 Punkt |
Mit Gefährdung | 150 Euro Bußgeld + 2 Punkte + 1 Monat Fahrverbot |
Mit Unfall | 200 Euro Bußgeld + 2 Punkte + 1 Monat Fahrverbot |
Wiederholte Verstöße gegen das Handyverbot können zu höheren Bußgeldern und im Extremfall auch ohne Gefährdung oder Unfall zu einem Fahrverbot führen.

Wer trägt die Beweispflicht bei Handybenutzung am Steuer?
Grundsätzlich liegt die Beweislast bei der Behörde, die den Verstoß festgestellt hat. Der Betroffene muss nicht seine Unschuld beweisen, sondern die Polizei / Bußgeldstelle muss nachweisen, dass das Handy tatsächlich genutzt wurde.
Wie beweist die Polizei eine Handynutzung?
Die Polizei kann auf unterschiedliche Weise versuchen, die Handynutzung am Steuer zu beweisen:
- Direkte Beobachtung: Polizeibeamte in Zivilfahrzeugen oder an Beobachtungsstellen achten gezielt auf Handynutzer.
- Kameras oder Blitzer: Kameraaufzeichnungen können zum Einsatz kommen. Auch Blitzerfotos, mit denen eigentlich Geschwindigkeitsverstöße nachgewiesen werden sollen, können herangezogen werden, soweit eine Handynutzung auf dem Messfoto erkennbar ist.
- Zeugen: Neben den Beamten selbst können andere Verkehrsteilnehmer als Zeugen fungieren.
- Technische Aufzeichnungen: In besonderen Fällen können Staatsanwaltschaften Handydaten auswerten, um eine Nutzung zum Tatzeitpunkt zu belegen. Insbesondere bei schweren Unfällen, die anders nicht erklärt werden können, wird schnell von der Ermittlungsbehörde eine Handynutzung unterstellt und entsprechend intensiv über die Auslesung des Handys hinsichtlich einer Nutzung nachgeforscht.
Grauzonen und Unsicherheiten bei der Beweisführung
Es gibt jedoch für die Ermittlungsbehörde rechtliche und praktische Schwierigkeiten bei der Beweisführung:
- Kurzfristiges Halten des Handys ohne Nutzung: Behauptet ein Fahrer, dass er das Handy nur umgelegt oder verstaut hat und ist ansonsten eine Nutzung nicht nachweisbar, ist kein Verstoß nachweisbar.
- Reflexionen und optische Fehlwahrnehmung: Eine vermeintliche Handynutzung kann durch Spiegelungen des Handydisplays oder Bewegungen des beobachteten Fahrzeugs durch Zeugen falsch interpretiert werden.
- Fehlerhafte Wertung technischer Beweise: Kameraaufzeichungen oder Blitzerfotos mit vermeintlicher Handynutzung können falsch interpretiert worden sein. Ein Blitzerfoto ist lediglich eine „Momentaufnahme“, bei der ein Telefonieren („Sprechbewegungen“) oder sonstige Nutzung unrichtig gewertet werden sein können.
- Erfolgreiche Anfechtung von Zeugenaussagen: Polizeizeugen können sich irren, insbesondere wenn der Beobachtungsort nicht optimal ist. In bestimmten Konstellationen fehlen Polizeizeugen häufig auch ausreichende juristische Kenntnisse darüber, wann kein Handyverstoß trotz Halten des Handys vorliegt. Aktuelle Rechtsprechung ist den Polizeibeamten meist unbekannt.
Welche Beweise müssen bei einem Handyverstoß vorgelegt werden? Reicht die Aussage von Polizeibeamten aus?
Polizeibeamte können als Zeugen auftreten und eine Aussage über die beobachtete Handlung machen. Allerdings reicht eine bloße Behauptung nicht aus. Der Nachweis einer verbotenen Handynutzung erfordert stichhaltige Beweise, die auch das Gericht im Falle einer streitigen Verhandlung nach Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid überzeugen. Polizeibeamte dürfen Verkehrsverstöße beobachten und ihre Wahrnehmung im Protokoll („polizeiliche Anzeige“) festhalten. Die Beobachtung des Verstoßes kann als Zufallsfund geschehen: die Polizei beobachtet zufällig bei einer Fahrt im Straßenverkehr mit dem Einsatzfahrzeug einen Handyverstoß. Dies kann aber auch als sogenannte gezielte Beobachtung/Überwachung von einem Beobachtungposten aus geschehen. Bei letzterem Fall beobachtet die Polizei durch einen Beamten (sogenannte „Petze“) oder ein abgeparktes Polizeifahrzeug oder Zivilfahrzeug von einer geeigneten Position den Verkehr auf Verkehrsverstöße (zum Beispiel Handyverstöße, Rotlichtverstöße, fehlendes Anhalten am Zebrastreifen, etc.).
Hier kommt es für uns als Verteidiger darauf an, zu prüfen, wie die örtlichen Sichtverhältnisse für die Polizeibeamten waren und wie vom Beobachtungspunkt der Beamten ein Verkehrsverstoß sicher wahrgenommen werden konnte. Auch die Verkehrslage und die Geschwindigkeit des Betroffenen mit der einhergehenden Kürze der Wahrnehmungsmöglichkeit der Beamten können entscheidend sein.
Relevant ist zudem, wie genau die Beobachtungen der Beamten in der Ermittlungsakte dokumentiert wurden. Hier finden sich oft eklatante Schwächen und Wiedersprüche.
Sollten dann in einer von uns für den Betroffenen geführten Gerichtsverhandlung die Erinnerung der Polizisten schwach sein – was wegen der Ahndung von hunderten gleichartigen Verstößen durch die Polizeibeamten naheliegend ist, kommt es oft zu Einstellungen der Verfahren durch das Gericht.
Wann reicht die Polizeiaussage nicht aus?
Es gibt Situationen, in denen die Aussage eines Polizeibeamten nicht ausreichend ist:
- Fehlende ausreichende Sicht der Beamten auf das Geschehen: Wenn Polizeibeamte aus einiger Entfernung eine Handbewegung gesehen haben, aber nicht eindeutig erkennen konnten, dass ein Handy genutzt wurde. Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten aus einem fahrenden Fahrzeug sind oft schwierig wegen der Fahrbewegung. Eindeutige Beobachtungen von einem Beobachtungsposten können zum Beispiel nicht vorliegen wegen eines ungünstigen Blickwinkels der Beamten, der schnellen Fahrbewegung des beobachteten Fahrzeugs und der Kürze der Wahrnehmung. Aber auch eine eingeschränkte Sicht zum Beispiel wegen Baumbewuchs, Litfaßsäulen, Fußgängern oder anderer Fahrzeuge zwischen dem beobachteten Fahrzeug und den Beamten oder mehrerer Fahrspuren können deren Wahrnehmung unzulässig einschränken.
- Mehrdeutige Beobachtungen: Eine Handbewegung in Richtung Mittelkonsole kann viele Ursachen haben, zum Beispiel das Bedienen der Klimaanlage oder des Radios. Zum Teil werden die Handlungen des Betroffenen falsch durch die Beamten interpretiert und irrtümlich vorschnell als Handyverstoß gedeutet.
- Widersprüchliche Aussagen der Beamten: Falls mehrere Beamte im Einsatz waren und ihre Aussagen voneinander abweichen. Wird die Beobachtungssituation unterschiedlich geschildert und das Tatgeschehen abweichend wiedergegeben ergeben sich Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Verteidigung. Schildern beispielsweise beide Polizeibeamte im beobachtenden Fahrzeug Fahrer gewesen zu sein oder unterschiedliche Tathandlungen beobachtet zu haben (ein Beamter vermeintliche Nutzung des Handys zum Telefonieren und ein Beamter vermeintliche Nutzung durch Tippen auf „WhatsApp“) ergeben sich Wiedersprüche die zu einer Einstellung des Verfahrens führen können.
- Fehlende ergänzende Beweismittel: Sind die Beobachtung der Polizeibeamten unzureichend in der Bußgeldakte („Anzeige“) dokumentiert und in einem späteren Gerichtsverfahren die Erinnerung der Polizeibeamten „verblasst“ sind ohne Videoaufnahmen, andere technische Aufzeichnungen oder neutrale Zeugen gute Chancen für eine Verteidigung gegen den Vorwurf eines Handyverstoßes gegeben.
Ein erfahrener Anwalt kann in solchen Fällen prüfen, ob die Beweislage ausreicht oder erfolgversprechende Gegenargumente bestehen. Insbesondere wenn keine weiteren Beweise bei ansonsten unsicherer Beweislage vorliegen, kann ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid sinnvoll sein.
Gibt es Unterschiede bei der Ahndung zwischen Anrufen und anderen Handyanwendungen?
Das Gesetz differenziert in § 23 Abs. 1 a StVO nicht nur zwischen verschiedenen Arten („Aufnehmen und Halten“) der Nutzung, sondern bewertet auch die Art der Ablenkung („Blickwendung vom Verkehrsgeschehen“). Grundsätzlich gilt: Jede Nutzung eines elektronischen Geräts, die eine Ablenkung vom Verkehrsgeschehen bewirkt, kann geahndet werden.
- Telefonieren mit dem Handy in der Hand: Dies ist ausdrücklich verboten, unabhängig davon, ob das Gespräch geführt oder nur angenommen wird.
- Texten, Messaging oder Social-Media-Nutzung: Diese Handlungen sind ebenfalls untersagt, da sie eine erhebliche visuelle und kognitive Ablenkung darstellen sollen.
- Navigation und Musikwiedergabe: Die Nutzung eines Navigationssystems oder das Ändern von Musik ist erlaubt, solange das Gerät nicht in der Hand gehalten wird. Eine Interaktion durch Tippen auf dem Bildschirm während der Fahrt kann jedoch problematisch sein.
- Freisprecheinrichtungen und Sprachsteuerung: Die Nutzung von Sprachsteuerungssystemen ist gestattet, sofern der Fahrer seine Hände am Lenkrad und seine Aufmerksamkeit auf den Verkehr gerichtet hält.
- Benutzung eines Berührungsbildschirms (Touchscreen): Der Touchscreen (wie in fast jedem modernen Fahrzeug inzwischen vorhanden) gilt als elektronisches Gerät im Sinne des Handyparagraphen. Wird dieser bedient um zum Beispiel zum Betrieb des Fahrzeugs notwendige Funktionen (Scheibenwischerintervall etc.) einzustellen und wird länger der Blick vom Verkehrsgeschehen abgewendet, liegt ein Verstoß vor obwohl der /Berührungsbildschirm fest verbaut ist und nicht in den Händen gehalten wird!
Juristische Bewertung Handyanwendungen am Steuer
Das Oberlandesgericht Hamm entschied (Az. 1 RBs 170/10), dass nicht nur das Telefonieren, sondern jede Nutzung, bei der das Gerät in der Hand gehalten wird, unzulässig ist. Demnach reicht es aus, das Handy für eine Sekunde aufzunehmen, um durch Antippen des Home-Buttons zu kontrollieren, ob das Gerät ausgeschaltet ist.
Das Oberlandesgericht Jena (1 OLG 121 SsRs 55/21) stellte klar, dass das bloße Halten oder Aufnehmen eines elektronischen Geräts während der Fahrt keinen Verstoß im Sinne der Norm darstelle. Hinzukommen müsse eine Nutzung des Geräts. In diesem Fall war vom Ausgangsgericht aufgrund eines Blitzerbildes verurteilt worden, allein da man auf dem Foto das in den Händen halten eines Handys feststellen konnte. Obwohl der Betroffene die Nutzung nicht eingestanden habe, müsse trotzdem eine Verurteilung möglich sein. Dies sah das OLG Jena anders; eine Nutzung müsse stets nachgewiesen werden. Das bloße Halten reiche nicht aus als Nachweis.
Auch nach dem Kammergericht Berlin (3 Ws (B) 360/19) reicht das bloße Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Geräts nicht. Unproblematisch soll die bloße Ortsveränderung des elektronischen Geräts sein. Eine solche Handlung habe keinen Bezug zur Funktionalität des Geräts.
Ein Ablesen des Ladezustands des Geräts, das Ablesen der Uhrzeit, die bloße Betätigung einer Taste zur Prüfung, ob das Gerät überhaupt Funktionstüchtig ist oder auch das Wegdrücken eines Anrufs unterfallen dem Handyverbot.
Dies gilt auch, wenn während der Fahrt ein Mobiltelefon in den Händen gehalten wird und mehrere Sekunden auf das Display geschaut wird. Hingegen reicht eine kurze Blickabwendung vom Verkehr nicht aus.
Wer während der Fahrt ein mit einer Freisprecheinrichtung verbundenes Handy in der Hand hält und über die Freisprecheinrichtung telefoniert soll -solange keine weitere Funktion des Gerätes genutzt wird- nach dem OLG Stuttgart (4 Ss 212/16) nicht unzulässig handeln. Dies ist allerdings umstritten.
Das elektronische Gerät muss in speziellen Fällen jedoch nicht notwendiger Weise in Hand gehalten oder ergriffen werden!
Ein Halten liegt nach dem OLG Köln (III-1 RBs 347/20) nicht nur vor, wenn ein Gegenstand mit der Hand ergriffen wird, sondern auch dann, wenn ein elektronisches Gerät zwischen Schulter und Ohr oder zwischen Oberschenkel und Lenkrad fixiert wird.
Aber auch wenn das Gerät in sonstiger Weise mit Hilfe der menschlichen Muskulatur in seiner Position verbleibt (Ablegen auf dem Oberschenkel), Bayerisches Oberstes Landesgericht 201 ObOWi 1507/21) soll dies für einen Verstoß ausreichen.
Nach dem Bayerischen Obersten Landesgericht (202 ObOWI 1997/19) kann bei einem Handyverstoß bei Vorliegen entsprechender Voreintragungen im Flensburger Punkteregister die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtverstoßes in Betracht kommen. Dies insbesondere, wenn schon eine Verurteilung wegen eines vorhergehenden Handyverstoßes vorliegt.
Zeugen als Beweis für Handnutzung am Steuer
Zeugenaussagen sind grundsätzlich ein wichtiges Beweismittel, doch ihre Glaubhaftigkeit wird vor Gericht sorgfältig geprüft.
Polizeibeamte als Zeugen:
Ihre Aussagen haben ein besonderes Gewicht, da sie als geschulte Beobachter gelten. Oft haben diese vor Gericht einen „Vertrauensvorschuss“ und gelten als besonders glaubwürdig. Allerdings sind sie diese nicht unfehlbar, und es kommt vor, dass ihre Wahrnehmungen durch schlechte Sichtverhältnisse oder Ablenkungen beeinträchtigt werden. Es kann daher zu Fehlwahrnehmungen kommen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Polizeibeamten im Vergleich zu anderen Personengruppen (hier Studenten) keine bessere Wahrnehmung haben. Allerdings war auffällig, dass Polizeibeamte ihre Wahrnehmungsfähigkeiten im Vergleich zu anderen Vergleichsgruppen (hier wiederum Studenten) regelmäßig fälschlicher Weise viel höher einschätzen.
Andere Verkehrsteilnehmer als Zeugen:
Auch Passagiere, Fußgänger oder andere Fahrer können als Zeugen fungieren. Ihre Aussagen müssen jedoch detailliert und nachvollziehbar sein.
Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen:
Gerichte bewerten Aussagen anhand von sogenannten Glaubhaftigkeitsmerkmalen und prüfen damit, ob jemand die Wahrheit sagt. Die vier Hauptkriterien sind: Detailgrad der Aussage, Strukturgleichheit der Aussage, die Nichtsteuerung und die Konstanz der Aussage.
Was passiert, wenn der Fahrer das Handy nicht benutzt hat?
Fahrer, die fälschlicherweise beschuldigt werden, ein Handy während der Fahrt genutzt zu haben, sollten sich über ihre Rechte und mögliche Gegenmaßnahmen bewusst sein. Da die Beweislast bei der Behörde liegt, kann ein Einspruch gegen den Vorwurf erfolgreich sein.
Rechtliche Möglichkeiten bei falschem Vorwurf
Falls ein Bußgeldbescheid zugestellt wurde, kann der Betroffene innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen. Wir raten davon ab hier irgendwelche Äußerungen oder Erklärungen abzugeben, warum der Vorwurf nicht zutrifft. In vielen Fällen kann ein spezialisierter Anwalt helfen, durch Akteneinsicht festzustellen, ob die Beweismittel der Behörde stichhaltig sind und dann eine Erklärung machen. Meist empfiehlt es sich die Angelegenheit genau vor Gericht „unter die Lupe zu nehmen“. Ein Einschreiten eines Anwalts macht oft schon Sinn, wenn Sie im Vorfeld vor Erlass des Bußgeldbescheids durch Zusendung des sogenannten Anhörungsbogens zur Äußerung aufgefordert werden. Auch hier raten wir dringend von einer vorschnellen Stellungnahme gegenüber der Behörde ohne anwaltliche Beratung ab.
Chancen auf Erfolg bei fälschlichem Vorwurf der Handynutzung am Steuer
Die Erfolgsaussichten eines Einspruchs hängen stark von der Beweislage ab:
- Ohne eindeutige Beweise kann der Vorwurf häufig angefochten werden. Sollte kein Nutzen des Handys nachgewiesen werden können ist das Verfahren einzustellen.
- Widersprüchliche Aussagen von Polizeibeamten oder Zeugen können zu einer Einstellung des Verfahrens führen.
- Fehlinterpretationen seitens der Polizei können im Gerichtsverfahren entkräftet werden.
- Fälschliche Unterstellungen das beobachtete Gerät sei als elektronisches Gerät im Sinne des § 23 Abs. 1 a StVO einzustufen können zur Einstellung führen. Allerdings werden immer weitere Geräte unter den Handyparagraphen gefasst (zum Beispiel: elektronischer Taschenrechner, Digitalkamera, Fernbedienung für Navigationsgerät, Paketscanner)
- Ist das Fahrzeug vor dem Telefonieren händisch abgestellt worden (nicht nur „Start-Stopp-Automatik“) bestehen ebenfalls gute Erfolgsaussichten für eine Einstellung.
Wer zu Unrecht wegen der Handynutzung am Steuer beschuldigt wird, sollte nicht vorschnell das Bußgeld akzeptieren.
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Thomas Erven Ihr Fachanwalt für Verkehrsrecht
Wie verhält es sich mit der Nutzung von Navi oder Musik während der Fahrt?
Die Nutzung eines Navigationsgeräts oder das Abspielen von Musik während der Fahrt ist grundsätzlich erlaubt, unterliegt jedoch bestimmten gesetzlichen Einschränkungen. Der entscheidende Faktor ist, dass der Fahrer durch die Bedienung nicht vom Verkehrsgeschehen abgelenkt wird und das Gerät nicht in der Hand hält.

Gesetzliche Grundlage
Nach § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist die Nutzung elektronischer Geräte nur erlaubt, wenn:
- das Gerät nicht in der Hand gehalten wird,
- es mit einer Sprachsteuerung oder einer „einmaligen, kurzen Blickzuwendung“ bedient werden kann.
Wer beispielsweise eine Navigationsroute vor Fahrtantritt einstellt oder die Sprachsteuerung zur Änderung der Route nutzt, bleibt im legalen Rahmen. Eine manuelle Eingabe während der Fahrt hingegen kann bei einer Ablenkung vom Verkehrsgeschehen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Nutzung von Navigationsgeräten
Die Nutzung von Navigationssystemen ist zulässig, wenn:
- das Gerät in einer Halterung befestigt ist,
- es ohne längere Blickabwendung bedient werden kann,
- die Routenführung bereits vor Fahrtantritt eingestellt wurde.
Wird ein fest verbautes Navigationssystem während der Fahrt per Hand bedient, kann dies bei längerer Blickabwendung vom Verkehr als Verstoß gegen die StVO gewertet werden. Selbst das kurze Halten eines mobilen Navigationsgeräts in der Hand stellt eine Ordnungswidrigkeit dar.
Musikwiedergabe und deren Einschränkungen
Das Hören von Musik während der Fahrt ist grundsätzlich erlaubt, solange dies nicht zu einer Ablenkung führt. Die Steuerung der Musikwiedergabe unterliegt jedoch ebenfalls gesetzlichen Beschränkungen:
- Das Wechseln eines Songs oder das Anpassen der Lautstärke darf nur über das Lenkrad oder eine sprachgesteuerte Bedienung erfolgen.
- Das Halten eines Smartphones oder MP3-Players zum Wechseln der Musik kann als Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO gewertet werden.
- Eine übermäßig laute Musikwiedergabe kann als Verstoß gegen § 23 Abs. 1 StVO gewertet werden, wenn sie das akustische Wahrnehmen von Verkehrsgeräuschen verhindert.
Gerichtliche Entscheidungen zur Bedienung von Musik- und Navigationssystemen
- Das Oberlandesgericht Karlsruhe (1 Rb 36 Ss 832/19) urteilte, dass selbst das Tippen auf einen Touchscreen eines im Fahrzeug integrierten Infotainmentsystems ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO darstellen kann, wenn dadurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird.
- Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass das kurzfristige Wechseln eines Songs auf einem Handy, das in einer Halterung steckt, keinen Verstoß darstellt, sofern keine lange Blickzuwendung erforderlich ist.
Ab wann ist der Einspruch sinnvoll?
Ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen Handynutzung am Steuer ist spätestens dann sinnvoll, wenn der Bußgeldbescheid zugegangen ist und Zweifel an der Beweislage bestehen oder formelle Fehler im Verfahren erkennbar sind. Folgende Situationen können einen Einspruch begründen:
1. Fehlende oder unzureichende Beweise
Wenn die Bußgeldbehörde keine eindeutigen Beweise vorlegen kann – etwa ein unscharfes Foto oder eine bloße Vermutung der Polizeibeamten –, kann ein Einspruch erfolgversprechend sein.
2. Widersprüchliche Zeugenaussagen
Sollten sich die Aussagen der Beamten oder anderer Zeugen widersprechen, kann dies die Glaubwürdigkeit des Vorwurfs infrage stellen. Hier kann ein Anwalt durch Akteneinsicht prüfen, ob Unstimmigkeiten vorliegen.
3. Fehlerhafte technische Beweise
Technische Interpretationen technischer Aufzeichnungen wie Blitzerfotos mit vermeintlichem Handyverstoß können unzureichend sein.
4. Formelle Fehler im Bußgeldbescheid
Ein Bußgeldbescheid muss alle rechtlich notwendigen Angaben enthalten. Fehlen wesentliche Informationen, kann ein Einspruch allein aus formellen Gründen erfolgreich sein. Ungenaue oder fehlerhafte Angaben zu Tatort und Tatzeit lassen die Eignung des Bußgeldbescheids als Grundlage für das Bußgeldverfahren entfallen, wenn durch die Angaben im Bescheid nicht zweifelsfrei klar ist, welcher konkrete Lebenssachverhalt dem Betroffenen zur Last gelegt wird.
5. Keine tatsächliche Handynutzung
Falls der Fahrer das Handy lediglich umgelegt oder an einen anderen Ort im Fahrzeug bewegt hat, liegt keine verbotene Nutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO vor.
Ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid sollte wohlüberlegt sein und auf einer fundierten rechtlichen Grundlage basieren. Besonders in Fällen, in denen keine eindeutigen Beweise vorliegen oder formelle Fehler bestehen, kann sich der Gang zum Anwalt lohnen. Eine frühzeitige Prüfung der Beweislage erhöht die Erfolgschancen erheblich. Oft empfiehlt es sich den Anwalt schon im Anhörungsverfahren zu beauftragen; also dann, wenn Sie ein Schreiben mit der Überschrift „Anhörungsbogen“ erhalten haben. Beachten sie hierzu unseren eingehenden Artikel: Anhörung im Bußgeldverfahren.
Neue Entwicklung: Handyblitzer
In Rheinland-Pfalz wurden als erstem Bundesland sogenannte Handyblitzer im dortigen Polizeigesetz zugelassen und in der Praxis eingesetzt. Nun können mit dem „Monocam-System“ personenbezogenen Daten erhoben und gespeichert werden. In den Niederlanden ist dieses System schon länger erfolgreich im Einsatz. Eine KI-gestützte Software wertet Kameraaufnahmen meist von einer Brücke aus, die alle vorbeifahrenden Autofaher durch die Frontscheibe erfasst.
Fazit Handynutzung am Steuer
Die Beweispflicht bei Handyverstößen liegt grundsätzlich bei der Behörde/Polizei. Betroffene sollten sich gegen derartige Vorwürfe wehren und rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Reagieren Sie nicht auf den Anhörungsbogen. Ein Einspruch ist in vielen Fällen sinnvoll sein, insbesondere wenn keine eindeutigen Beweise vorliegen.
Wenn Sie Fragen zum Thema haben oder anderen verkehrsrechtlichen Rat benötigen, können Sie uns unter 0221 301 403 44 anrufen oder eine E-Mail an erven@kanzlei-erven.de senden.
Thomas Erven, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Köln
Bildquellennachweise:
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FAQ: Handy am Steuer – was ist erlaubt?
Nein, es darf nur genutzt werden, wenn es in einer Halterung befestigt ist oder per Sprachsteuerung bedient wird. Ausnahme ist eine Umlagerung des Handys oder das Aufheben des Heruntergefallenen Handys ohne Nutzung.
Ja, das Verbot gilt für alle elektronischen Geräte, die der Kommunikation, Information oder Unterhaltung dienen. Hier wird der Bereich der unzulässigen Geräte stetig ausgeweitet. Fragen Sie uns gerne, ob das von Ihnen benutzte Gerät zulässig ist.
In einer Notsituation ist die Nutzung des Handys erlaubt.
