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Nötigung im Straßenverkehr: Definition und rechtliche Einordnung

Sie wurden wegen Nötigung im Straßenverkehr angezeigt? Oft reicht ein kurzer Moment im Straßenverkehr – dichtes Auffahren, ein Spurwechsel, ein abruptes Bremsen – und schon sehen sich Fahrer mit dem Vorwurf einer Nötigung konfrontiert. In vielen Fällen ist aber unklar, ob es sich tatsächlich um eine Nötigung im Sinne einer Straftat, um eine Ordnungswidrigkeit oder um ein strafloses Verhalten handelt. Die Rechtslage ist komplex und hängt vom Einzelfall ab. In diesem Beitrag erfahren Sie, was unter einer Nötigung im Straßenverkehr rechtlich zu verstehen ist, welche Strafen drohen und worauf es bei der Verteidigung gegen diesen Vorwurf ankommt.

Inhalte: 

Wann spricht man von einer Nötigung im Straßenverkehr?
Nötigung im Straßenverkehr: Ordnungswidrigkeit oder Straftat?
Welche Unterschiede bestehen zwischen einer Verkehrsordnungswidrigkeit und einer strafbaren Nötigung?
Welche Sanktionen können bei einer strafbaren Nötigung darüber hinaus drohen?
Typische Beispiele von Nötigung im Straßenverkehr
Ist dichtes Auffahren und Lichthupe automatisch eine Nötigung?
Kann auch das bewusste Ausbremsen eines Dränglers eine Nötigung darstellen?
Wann wird riskantes Überholen oder Blockieren einer Spur als Nötigung eingestuft?
Aktuelle Urteile zur Nötigung im Straßenverkehr
Welche Rollen spielen Dashcam-Aufnahmen oder Zeugenaussagen in der Beweisführung?
Gibt es regionale Unterschiede in der Rechtsprechung zur Nötigung im Straßenverkehr?

Wann spricht man von einer Nötigung im Straßenverkehr?

Eine Nötigung kommt im Straßenverkehr auf unterschiedliche Weise vor. So kann ein zu dichtes Auffahren, Schneiden oder Ausbremsen eine Nötigung darstellen. Ob diese im Straßenverkehr alltäglichen Fahrmanöver den Straftatbestand erfüllen, hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.

Nach dem Gesetzestext begeht eine Nötigung, wer einen anderen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingt (§ 240 StGB).

Vereinfacht gesagt ist Nötigen das Erzwingen eines bestimmten Verhaltens durch Gewalt oder Drohung.

Nötigung im Straßenverkehr: Ordnungswidrigkeit oder Straftat?

Bei einer Nötigung nach § 240 StGB handelt es sich um eine Straftat, die mit Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden kann.

Doch dazu muss es nicht zwangsläufig kommen: Wird das Verhalten lediglich als Ordnungswidrigkeit sanktioniert, drohen "lediglich" Bußgeld, Punkte und in gravierenden Fällen ein Fahrverbot.

Beispiel: Liegt lediglich ein drängelndes dichtes Auffahren vor, kann dies auch lediglich als Ordnungswidrigkeit bestraft werden (Abstandsverstoß). Hierbei darf das Drängeln nicht von langer Dauer oder hoher Intensität sein. Der Abstand und die Geschwindigkeit der beteiligten Fahrzeuge sind ebenfalls entscheidend.

Es kommt also stets auf den Einzelfall an und eine entsprechende Darstellung durch die Verteidigung.

Im Falle einer Ordnungswidrigkeit wird dann nur das Unterschreiten des vorgeschriebenen Abstands sanktioniert und keine sonstigen Fahrverhaltensweisen. Siehe hierzu auch unser Blog: Abstand nicht eingehalten. Dort erklären wir auch das im Fall eines Abstandsverstoßes konkret drohende Bußgeld, Punkte und Fahrverbot.

Welche Unterschiede bestehen zwischen einer Verkehrsordnungwidrigkeit und einer strafbaren Nötigung?

Während bei einer strafbaren Nötigung das Gesetz eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe vorsieht, wird bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße, Punkte „in Flensburg“ (Fahreignungsregister: "FAER") und ggf. ein Fahrverbot von ein bis drei Monaten verhängt.

Die Verurteilung einer Straftat nach § 240 StGB wird im Bundeszentralregister (BZR) vermerkt und ab einer Geldstrafe oberhalb von 90 Tagessätzen oder einer bereits in der Vergangenheit liegenden Verurteilung erfolgt ein Vermerk im Führungszeugnis. Der Verurteilte gilt dann als vorbestraft. Dies geschieht bei Ordnungswidrigkeiten – egal welcher Art und Intensität – nicht.

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Thomas Erven Ihr Fachanwalt für Verkehrsrecht

Welche Sanktionen können bei einer Nötigung als Straftat darüber hinaus drohen? 

Abgesehen von der bereits genannten Möglichkeit der Verurteilung als Straftat zu einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, kann zusätzlich ein Fahrverbot von bis zu sechs Monaten (§ 44 StGB), sowie die Eintragung von zwei Punkten „in Flensburg“ ausgesprochen werden.

In besonders gravierenden Fällen kann das Gericht die Fahrerlaubnis sogar gemäß § 69 StGB entziehen. Damit geht grundsätzlich eine Fahrerlaubnissperre von 6 Monaten bis 5 Jahren einher (§ 69a Abs. 1 StGB). Dies hat zur Folge, dass erst nach Ablauf der Sperre eine neue Fahrerlaubnis beantragt werden kann. Die Führerscheinprüfung muss dann aber in der Regel nicht erneut abgelegt werden. Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis jedoch zusätzlich von weiteren Voraussetzungen abhängig machen, etwa indem diese die Ablegung einer medizinisch-psychologischen-Untersuchung (MPU) gefordert wird.

Typische Beispiele von Nötigung im Straßenverkehr

Nicht jedes vermeintlich unfaire oder aggressive Verhalten im Straßenverkehr erfüllt den Straftatbestand der Nötigung – nur manche Handlungen gehen über ein bloßes strafloses Fehlverhalten im Verkehr hinaus. In diesem Abschnitt zeigen wir typische Konstellationen, die Gerichte regelmäßig als strafbare Nötigung werten – und wo die rechtliche Grenze verläuft.

Beispiel 1 Nötigung im Straßenverkehr: Welche Verhaltensweisen können als Nötigung gewertet werden?

Hierbei kommen besonders aggressive Verhaltensweisen, wie längeres dichtes Auffahren mit dauerhafter Lichthupenbetätigung in Betracht, wodurch der Vordermann zum Spurwechsel gedrängt wird. Vor allem das absichtliche Ausbremsen durch grundloses massives Verlangsamen der Geschwindigkeit oder durch einen überraschenden Fahrbahnwechsel werden von der Rechtsprechung schnell als strafbare Nötigung gewertet.

Beispiel 2 Nötigung im Straßenverkehr: Ist dichtes Auffahren und Lichthupe automatisch eine Nötigung?

Nein, dichtes Auffahren und Lichthupe ist nicht automatisch eine Nötigung. Es kommt stets auf die Intensität, Dauer und die konkrete Situation an. Eine kurzfristige Unterschreitung des Mindestabstands oder ein kurzes Aufblenden mit den Scheinwerfern stellt keine Nötigung dar.

Beispiel 3 Nötigung im Straßenverkehr: Kann auch das bewusste Ausbremsen eines Dränglers eine Nötigung darstellen?

Ja, ein bewusstes Ausbremsen eines Dränglers stellt eine Nötigung dar. Auch wenn der Vordermann sich vom „Drängler“ provoziert fühlt, rechtfertigt dies nach der Rechtsprechung kein absichtliches starkes Abbremsen, um den Hintermann zu maßregeln. In der Praxis vor Gericht wird das Ausbremsen unser Erfahrung nach sogar häufiger und härter sanktioniert als das „Drängeln“.

Beispiel 4 Nötigung im Straßenverkehr: Wann wird riskantes Überholen oder Blockieren einer Spur als Nötigung eingestuft?

Es kann als Nötigung gewertet werden, sobald andere Verkehrsteilnehmer durch das Handeln gezielt unter Druck gesetzt oder gefährdet werden. Das Überholen oder Blockieren darf sich also nicht allein durch die Verkehrssituation (viel Verkehr mit ständigem Spurwechsel aller Verkehrsbeteiligten) ergeben haben, sondern muss eine bewusste Handlung des Nötigenden darstellen (Vorsatz des Nötigenden). Hier erbeben sich für uns oft gute Verteidigungsansätze.

Aktuelle Urteile zur Nötigung im Straßenverkehr

Welche Rollen spielen Dashcam-Aufnahmen oder Zeugenaussagen in der Beweisführung?

Bei einer Nötigung im Straßenverkehr sind für die Ermittlungsbehörde Beweise entscheidend, um den Tatvorwurf zu belegen. Dabei spielen Dashcam-Aufnahmen und vor allem Zeugenaussagen eine wichtige Rolle als Beweismittel. Insbesondere Zeugenaussagen sind „anfällige“ Beweismittel, die durch uns als Verteidiger in Frage gestellt werden können und Widersprüche aufgedeckt werden können.

Gibt es regionale Unterschiede in der Rechtssprechung zur Nötigung im Straßenverkehr?

Ja, solche regionalen Unterschiede bestehen, obwohl die grundlegenden rechtlichen Bestimmungen im Strafgesetzbuch bundesweit einheitlich sind. Diese Unterschiede können sich in der Art und Weise zeigen, wie Gesetze angewendet werden, wie Strafen bemessen werden oder wie Einzelfälle ausgelegt werden. Letztlich hängt dies von der Bewertung aller Prozessbeteiligter ab: Richter, Staatsanwalt und Verteidiger.

Wenn Sie Fragen zum Thema haben oder anderen verkehrsrechtlichen Rat benötigen, können Sie uns gerne unter 0221 301 403 44 anrufen oder eine E-Mail an erven@kanzlei-erven.de senden.

Thomas Erven, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Köln


Bildquellennachweise:
iStock ID: 144725606, 1849045862

FAQ

Welche Verkehrsverstöße werden häufig fälschlicherweise als Nötigung eingestuft?
Kann eine Nötigung im Straßenverkehr auch im ruhenden Verkehr z.B. auf einem Parkplatz begangen werden?
Welche Rolle spielt eine erhöhte Geschwindigkeit bei der Bewertung einer möglichen Nötigung?
Wie unterscheidet sich eine „unbewusste“ von einer vorsätzlichen Nötigung?
Gibt es verkehrsrechtliche Sonderregelungen für Berufskraftfahrer bei einer Nötigung?
Wie lange bleibt eine Verurteilung wegen Nötigung im Straßenverkehr im Führungszeugnis eingetragen?
Welche Auswirkung kann eine Verurteilung wegen Nötigung bei Fahranfängern auf die Probezeit haben?

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Thomas Erven hat seinen Kanzleisitz in Köln. Er ist bundesweit tätig als Fachanwalt für Verkehrsrecht und spezialisiert auf Themen wie Bußgeld, Verkehrsstrafrecht und Unfälle.
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