Rote Ampel überfahren? Tipps vom Anwalt
Haben Sie eine rote Ampel überfahren? War es „orange“ oder doch „gelb“?
Wurden Sie dabei geblitzt oder von der Polizei beobachtet?
Der Rotlichtverstoß ist nach dem Geschwindigkeitsverstoß das zweithäufigste Verkehrsvergehen.
Dies kann für den Betroffenen wegen drohender Punkte und Fahrverbot ganz erhebliche Auswirkungen haben.
Doch oft kann geholfen werden!
Der Vorwurf kann erschüttert werden oder das Fahrverbot umgangen werden.
Im folgenden Artikel haben wir alle wichtigen Tipps für Sie gesammelt.
Welche Strafe Ihnen droht, wie Sie sich jetzt verhalten sollten und wie Ihnen ein Anwalt für Verkehrsrecht jetzt am besten helfen kann!
Inhalt:
- Rote Ampel überfahren: Was passiert?
- Rote Ampel überfahren: mit oder ohne Blitzer?
- Rote Ampel überfahren: Einspruch?
- Rote Ampel überfahren: Anwalt?
- Rote Ampel überfahren: Fahrverbot?
- Wichtige Urteile zum Rotlichtverstoß
1. Rote Ampel überfahren: Was passiert?
Die Höhe der Strafe bei einem Rotlichtverstoß hängt davon ab, wie lange die Ampel bereits rot gezeigt hat. Entscheidend ist auch, ob ein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wurde oder ein Unfall verursacht wurde.
Beides ist ausschlaggebend für die Verhängung eines Fahrverbots. Beim Fahranfänger gelten verschärfte Regelungen.
Die Strafen im Einzelnen:
- Ist die Ampel bis zu einer Sekunde rot gewesen, handelt es sich um einen sog. einfachen Rotlichtverstoß: Geldbuße 90,00 €, ein Punkt und kein Fahrverbot.
- Wurde allerdings ein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet oder eine Sachbeschädigung begangen: Geldbuße 200,00 € bzw. 240,00 €, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot.
- Wurde bei rot gefahren als die Ampel bereits länger als eine Sekunde rot zeigte, liegt ein sog. qualifizierter Rotlichtverstoß: Geldbuße von 200,00 €, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot.
- Bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß und einer zusätzlichen Gefährdung oder Sachbeschädigung: 320,00 € bzw. 360,00 €, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot.
- Der Rotlichtverstoß des Fahranfängers wird in der zweijährigen Probezeit mit einer zweijährigen Verlängerung und einem zusätzlichen speziellen Aufbauseminar geahndet.
Übersicht:
Verstoß | Bußgeld | Punkte | Monat(e) Fahrverbot |
---|---|---|---|
Rote Ampel überfahren | 90€ | 1 | / |
- mit Gefährdung | 200€ | 2 | 1 Monat |
- mit Sachschaden | 240€ | 2 | 1 Monat |
- bei schon länger als 1 Sekunde rot | 200€ | 2 | 1 Monat |
- bei schon länger als 1 Sekunde rot - mit Gefährdung | 320€ | 2 | 1 Monat |
- bei schon länger als 1 Sekunde rot - mit Gefährdung - mit Sachschaden | 360€ | 2 | 1 Monat |
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Freitag: 9-12:30 Uhr
Thomas Erven Ihr Fachanwalt für Verkehrsrecht
2. Rote Ampel überfahren: mit oder ohne Blitzer?
Ein Rotlichtverstoß kann durch eine sog. Rotlichtüberwachungskamera, eine Videoaufnahme oder durch die Beobachtung eines Polizisten nachgewiesen werden.
Für den Nachweis eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (länger als eine Sekunde rot) ist eine exakte Messung erforderlich und die Anforderungen entsprechend hoch.
Bei der Messung des Rotlichtverstoßes durch einen Rotlichtblitzer kann die korrekte Messung des Geräts oft angegriffen werden. Bei der Beobachtung durch die Polizei ist besonders entscheidend, ob diese zufällig oder gezielt gemacht wurde.
Gerade beim qualifizierten Rotlichtverstoß können die Beobachtungen durch die Polizei häufig kritisch hinterfragt werden und der Führerschein gerettet werden.
3. Rote Ampel überfahren: Einspruch?
Wenn Sie einen Anhörungsbogen oder einen Bußgeldbescheid wegen eines Rotlichtverstoßes erhalten haben, äußern Sie sich nicht zur Sache.
Schweigen Sie! Lassen Sie sich nicht durch Fristen auf dem Anhörungsbogen irritieren!
Legen Sie gegen den Bußgeldbescheid sofort nach Zugang Einspruch ein.
Lassen Sie sich professionell durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten! Wir finden häufig Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Verteidigung.
Fachanwalt für Verkehrsrecht Thomas Erven
"Wurde über rot gefahren, ergeben sich zahlreiche Angriffspunkte um eine Bestrafung zu vermeiden."
4. Rote Ampel überfahren: Anwalt?
Ein versierter und im Verkehrsrecht erfahrener Anwalt wird zunächst prüfen, ob überhaupt tatsächlich eine Rotlichtfahrt begangen wurde. Oft kann dieser nicht nachgewiesen werden.
Dann kann die Rotlichtverstoß auch nicht bestraft werden und es fallen weder Geldbuße noch Punkte und Fahrverbot an.
Hierfür ergeben sich diverse Ansatzpunkte:
- Die Ampel wurde zwar bei Rotlicht überfahren, aber es wurde vor dem Kreuzungsbereich angehalten („eigentlicher Schutzbereich nicht betroffen“).
- Die rot zeigende Ampel wurde umgangen, indem über einen nicht geschützten Kreuzungsbereich gefahren wurde („Umgehungsfälle“): zum Beispiel angrenzendes Privatgrundstück, Tankstelle, etc.
- Liegt ein „Spurwechsel im Kreuzungsbereich“ vor, kann in Ausnahmefällen ein Rotlichtverstoß verneint werden.
- Die bei rot überfahrene Ampel zeigte aufgrund einer Fehlschaltung „Dauerrot“ (länger als drei Minuten).
- Die Dauer der Gelbphase war zu kurz. Dies kann durch den sog. Ampelphasenplan oder ein Sachverständigengutachten nachgewiesen werden.
- Wurde die Ampel beim Vorwurf eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (rote Ampel überfahren, die länger als eine Sekunde rot war s.o.) lediglich gefühlsmäßig hinsichtlich des Überschreitens der einen Sekunde durch die Polizeibeamten geschätzt (häufig), ergeben sich besonders gute Chancen den qualifizierten Rotlichtverstoß zu „kippen“.
- Bei Einsatz einer Rotlichtüberwachungskamera ist zu prüfen, ob der Messvorgang überhaupt korrekt durch das Messgerät erfolgte. Die fehlerfreie Benutzung des Messgeräts gemäß Bedienungsanleitung, die Lebensakte mit Reparaturen am Gerät, die Schulungsnachweise der Messbeamten und die Qualität des Messbildes können oft mit Erfolg angegriffen werden.
5. Rote Ampel überfahren: Fahrverbot?
Es ergeben sich selbst bei korrekter Messung für den geübten Verkehrsrechtsanwalt diverse Ansätze durch entsprechende Argumente ein Fahrverbot zu umgehen:
- Bei einer „Baustellenampel“ (keine Gefährdung eines querenden Verkehrs).
- Bei „momentaner Unaufmerksamkeit“ (Fahrer ist durch Adressensuche abgelenkt)
- Bei bloßen „Wahrnehmungsfehlern“ / „Augenblicksversagen“ (lediglich leicht fahrlässig rote Ampel überfahren).
- „Keiner Gefährdung anderer Rechtsgüter“, sprich anderer Verkehrsteilnehmer (Nachtzeit, verkehrsarme Gegend).
- Blendung des Betroffenen durch Sonneneinstrahlung.
- „Besonderer Härte“ (Gefährdung der beruflichen Existenz oder Nachweis gesundheitlich auf den Führerschein angewiesen zu sein).
- Auch kann häufig das Verfahren verzögert werden, um das Fahrverbot in der Urlaubszeit ableisten zu können.
Beachten Sie zu diesem Thema auch unseren ausführlichen Artikel: Fahrverbot umgehen.
6. Wichtige Urteile zum Rotlichtverstoß
Messung der Dauer des Rotlichtverstoßes mit Stoppuhr
Laut Beschluss des Bayrischen Oberlandesgericht vom 19.08.2019 ist die polizeiliche Messung der Dauer des Rotlichtverstoßes mit einer ungeeichten Stoppuhr eines Mobiltelefons möglich.
Allerdings ist dann ein Sicherheitsabzug von 0,3 Sekunden vom gemessenen Zeitwert zu machen zum sicheren Ausgleich etwaiger Messungenauigkeiten und sonstiger Fehlerquellen.
Das Bayrische Oberlandesgericht hob eine Entscheidung des Amtsgerichts bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß (länger als eine Sekunde rot) auf. Das Amtsgericht hatte hier von der gemessenen Zeit des Rotlichtverstoßes 0,3 Sekunden Toleranzabzug angenommen.
Obwohl eine ungeeichte Stoppuhr verwendet wurde hatte das Amtsgericht jedoch einen über den Sicherheitsabzug von 0,3 Sekunden hinausgehenden Sicherheitsabzug etwaiger Gangungenauigkeiten („Verkehrsfehlergrenze“) nicht vorgenommen.
Weder der Gerätetyp des Mobiltelefons war festgestellt worden, noch geräteeigene oder externe Fehlerquellen ausgeschlossen worden, so dass eine Rotlichtzeit von nicht über einer Sekunde nicht unmöglich gewesen sei.
„Frühstarter“ oder Ablenkung vom Verkehr laut Betroffenen „durch den Arsch einer Radfahrerin“
Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 25.07.2019 eine Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die amtsgerichtliche Entscheidung verworfen. Hier ging es um ein Absehen vom Fahrverbot, welches das Amtsgericht abgelehnt hatte.
Zwar sei in den sogenannten Frühstarterfällen unter bestimmten Voraussetzungen ein atypischer Rotlichtverstoß möglich, der es im Einzelfall erlaube vom Fahrverbot abzusehen. Dies gehe oft mit einer Verwechslung einer Lichtzeichenanlage einher oder der Fahrer unterliege einem „Mitzieheffekt“, weil auch andere anfahren.
Hier liege aber neben dem groben Verkehrsverstoß auch ein grober Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten vor.
Denn die Unachtsamkeit des Betroffenen beruhe hier nicht auf einer Verwechslung der Lichtzeichenanlage oder einem „Mitzieheffekt“, sondern laut eigener Aussage des Betroffenen gegenüber den Polizeibeamten darauf, dass er „von dem Arsch der Radfahrerin abgelenkt“ war.
Fachanwalt für Verkehrsrecht Thomas Erven
"Vor dem Gericht kann häufig die Beseitigung des Fahrverbotes durch den Anwalt bewirkt werden."
Besondere Aufmerksamkeit bei belebten innerstädtischen Kreuzungen notwendig
Autofahrer, die in belebte innerstädtische Kreuzungen mit mehreren Fahrspuren und Lichtzeichenanlagen einfahren, müssen besonders aufmerksam sein. In der Regel kann hier kein Augenblicksversagen angenommen werden und ein Fahrverbot hat Bestand.
Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 24.07.2019 eine Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die amtsgerichtliche Entscheidung verworfen. Der Kraftfahrzeugführer war in den hochkomplexen Kreuzungsbereich des sogenannten Großen Stern in Berlin eingebogen und hatte ein Fahrverbot kassiert.
Bei einer derart belebten innerstädtischen Kreuzung mit diversen Fahrspuren sei gesteigerte Aufmerksamkeit notwendig und komme in der Regel keine bloße leichte Fahrlässigkeit im Sinne eines Augenblicksversagens in Betracht, die ein Absehen vom Fahrverbot erlaube.
Schätzungen der Polizeibeamten über die Rotlichtzeit und Entfernungen sind kritisch zu hinterfragen
Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Beschluss vom 18.07.2019 entschieden: Entfernungsangaben aufgrund von visuellen Schätzungen von Polizeibeamten, die keine konkreten Messungen darstellen sind wie auch Zeitschätzungen mit einem erheblichen Fehlerrisiko behaftet und kritisch zu hinterfragen.
Dies gelte auch für im Internet zur Verfügung gestellte Messfunktionen für die Berechnung der Entfernung.
Das Oberlandesgericht hob eine Entscheidung des Amtsgerichts auf bei der wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (länger als eine Sekunde rot) verurteilt worden war.
Das Amtsgericht habe nicht in einer nachvollziehbaren Weise dargelegt, dass der Betroffene die Haltelinie bei einer Rotlichtzeit von mehr als einer Sekunde überquert habe. Die Polizeibeamtin habe bei der gezielten Überwachung keine Messung der Rotlichtzeit unter Verwendung einer Uhr vorgenommen oder mitgezählt („21, 22, …“) was nach der Rechtsprechung ausreiche.
Eine bloße freie Schätzung des Zeitablaufs aufgrund gefühlsmäßiger Erfassung des beobachteten Geschehens reiche nicht aus und sei mit erheblichem Fehlerrisiko belegt.
Mitzieheffekt nicht immer anerkannt
Kein Mitzieheffekt bei qualifiziertem Rotlichtverstoß mit Fahrverbot, wenn an der Ampel nicht angehalten wird, sondern lediglich einem anderen Verkehrsteilnehmer hinterhergefahren wird.
Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 22.11.2018 eine Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen eine amtsgerichtliche Entscheidung bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß mit Fahrverbot verworfen.
Die Regelahndung könne unberechtigt sein, wenn der Betroffene zunächst ordnungsgemäß an der Lichtzeichenanlage anhalte und dann durch das Anfahren anderer Verkehrsteilnehmer veranlasst unter Nichtbeachtung des Rotlichts (sogenannte Sogwirkung) losfahre.
Wer allerdings - ortsunkundig oder nicht - hinter einem anderen Fahrzeug hinterherfahre ohne sich selbst zu vergewissern, ob die Ampel für ihn grün zeige und sich allein auf die Einschätzung des Vormanns verlasse, unterliege keinem Augenblicksversagen. Der Betroffene unterliege keinem Wahrnehmungsfehler, sondern einer gravierenden Pflichtverletzung.
Länger andauernde Rotphase
Ein bei länger als einer Sekunde andauernde Rotphase mit einem Fahrverbot zu ahndender Verstoß ist nicht deshalb milder zu beurteilen, weil der Fahrer nach Überfahren der Haltelinie im Kreuzungsbereich von der durch Grünlicht freien Spur auf die durch Rotlicht gesperrte Spur wechselt.
Das Oberlandesgericht Köln hat mit Beschluss vom 07.08.2015 eine Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen eine amtsgerichtliche Entscheidung verworfen mit der sich dieser gegen einen Rotlichtverstoß wandte.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liege nicht nur eine Zuwiderhandlung gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung vor, sondern auch ein Rotlichtverstoß, wenn nach Überfahren der Haltelinie bei Grün auf den durch Rot gesperrte Spur gewechselt werde.
Hierbei komme es auch nicht darauf an, ob der Entschluss zum Fahrstreifenwechsel vor oder nach dem Passieren der Haltelinie gefasst werde.
Rotlichtverstoß vorgeworfen? Wir helfen Ihnen!
Wird Ihnen ein Rotlichtverstoß vorgeworfen und Sie wissen nicht, was Sie tun sollen?
Wir sind für Sie da! Rechtsanwalt Erven und sein Team aus Verkehrsrechtsexperten steht Ihnen für alle Fragen zur Verfügung!
Rufen Sie uns an unter 0221 301 403 44 oder schreiben Sie eine E-Mail an erven@kanzlei-erven.de.
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Thomas Erven, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Köln
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